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Dienstplanänderungen per SMS – keine Pflicht, diese in der Freizeit zu lesen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Arbeitnehmende nach Feierabend nicht verpflichtet sind, dienstliche SMS oder sonstige Mitteilungen zu lesen oder anderweitig entgegenzunehmen. Werden Dienstplanänderungen von Arbeitgebenden demnach in der Freizeit übermittelt und nimmt der Arbeitnehmende diese nicht zur Kenntnis, geht ihm diese Information erst beim nächsten Dienstbeginn zu (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. September 2022, Aktenzeichen 1 Sa 39 öD/22).

 
Der Fall

Der Kläger war in Vollzeit als Notfallsanitäter bei der Beklagten im Rettungsdienst tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis fanden neben tarifvertraglichen Regelungen auch Betriebsvereinbarungen Anwendung. In einer Betriebsvereinbarung wurden die Einsatzzeiten im Rettungsdienst geregelt und unter anderem auch die Grundsätze für die Erstellung von Dienstplänen erfasst. Bei der Festlegung der Arbeitszeiten wurden verschiedene Einsatzarten unterschieden. So gab es neben Rufbereitschaften verschiedene Springerdienste zur Kompensation von Ausfallzeiten, beispielsweise bei kurzfristigen Erkrankungen von Mitarbeitenden.

Die Beschäftigten hatten die Möglichkeit, im Internet den aktuellen Dienstplan einzusehen. So war der Kläger am 8. April 2021 für einen so genannten „unkonkreten Springerdienst“ eingeteilt.

 

Aufgrund der Corona-Pandemie waren die Mitarbeitenden in diesen Fällen verpflichtet – sofern arbeitgeberseitig keine weitere Konkretisierung des Dienstes erfolgte – sich an dem betreffenden Tag telefonisch um 07:30 Uhr bei der Beklagten zu melden und ihre Einsatzfähigkeit mitzuteilen. Am 6. April 2021 war der Kläger bis 19:00 Uhr tätig und hatte im Dienstplan den entsprechenden Dienst einsehen können. Die Beklagte änderte sodann am 7. April 2021 den Dienstplan, wonach der Kläger am kommenden Tag um 06:00 Uhr den Dienst beginnen sollte. Die Beklagte versuchte, den Kläger zunächst telefonisch und im Anschluss per SMS darüber zu informieren, erreichte ihn jedoch nicht. Dieser zeigte sodann telefonisch am nächsten Tag seine Bereitschaft zur Arbeitsleistung an.

 

Die Beklagte hatte sich zwischenzeitlich um Ersatz für die Schicht gekümmert und setzte den Kläger nicht weiter ein. Vielmehr wertete sie den Tag als unentschuldigtes Fehlen, zog dem Kläger elf Stunden von seinem Arbeitszeitkonto ab und erteilte ihm eine Ermahnung. Ähnlich verhielt es sich bei einer kurzfristigen Dienstplanänderung im September 2021. Auch hier versuchte die Beklagte, den Kläger erfolglos per Telefon, SMS und E-Mail zu erreichen. Der Kläger trat den Dienst sodann später, aber wie zuvor geplant, an. Hierfür erhielt er neben einem Stundenabzug eine Abmahnung seitens der Beklagten. Der Kläger wehrte sich mittels Klage gegen den Abzug von Stunden von seinem Arbeitszeitkonto und machte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geltend. Da das Arbeitsgericht Elmshorn die Klage abgewiesen hat, legte der Kläger Berufung ein.

Die Entscheidung

Das LAG Schleswig-Holstein gab dem Kläger Recht. Zwar sind Änderungen im Dienstplan grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten abgedeckt, jedoch handelt es sich hierbei um empfangsbedürftige Willenserklärungen, die erst dann wirksam werden, wenn sie dem Kläger auch tatsächlich zugehen. Diesen Zugang konnte die Beklagte jedoch nicht nachweisen. Das bloße Übermitteln einer SMS oder E-Mail reicht hierfür nicht aus. Denn der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Freizeit. Nach Überzeugung des Gerichts ist er währenddessen nicht verpflichtet, dienstliche Mitteilungen zu lesen. Das Öffnen und Lesen derartiger Nachrichten stelle Arbeitszeit dar, zu der Beschäftigte in ihrer Freizeit nicht verpflichtet sind. Denn das Lesen erfolgt nicht im Interesse der Arbeitnehmenden, sondern im Interesse des Arbeitgebenden. Es liegt auch kein treuwidriges Verhalten des Klägers vor. Vielmehr sah das Gericht hier ein widersprüchliches Verhalten seitens der Beklagten, da sie dem Kläger zwar Freizeit gewährt, aber andererseits verlangt, Arbeitsleistungen zu erbringen.

 
Das Fazit

Dieses Urteil ist besonders begrüßenswert. Denn es stellt eindeutig klar, dass es in der Freizeit ein Recht auf Nichterreichbarkeit gibt. Dies dient dem Schutz der Gesundheit und dem Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten. Denn, so das LAG Schleswig-Holstein: „Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er / sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht“. Dieser Aussage kann nur zugestimmt werden. Wollen Arbeitgebende daher sicherstellen, dass ihre Beschäftigten für sie erreichbar sind, muss Rufbereitschaft angeordnet und entsprechend vergütet werden.

 

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Sascha Faber

1985 geboren in Eschweiler. 2005 Zivildienst, 2007-2009 Ausbildung zum Rettungsassistenten. Seit 2009 Mitarbeiter der Uniklinik Aachen und seit 2012 in verschiedenen Funktionen (Ersatzmitglied, ordentliches Mitglied, freigestelltes Mitglied) im Personalrat der nichtwissenschaftlich Beschäftigten.
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